Beißbeere (Capsicum)

Wie in vielen Familien, so auch in meiner, gibt es ein Kräuterbuch, das immer wieder zurate gezogen wird, wenn kleinere, manchmal auch größere Melässen auftreten. Es ist

„Das große illustrierte Kräuterbuch“

Es dauerte eine Weile, bis ich die Chili in diesem Buch fand. Ich war neugierig und wollte wissen, was mein, ansonsten überaus ergiebiges Buch, zu Chili auszusagen hätte. So fand ich dann die Beißbeere (Capsicum).

Ein schöner deutscher Name, ein treffender zugleich, zumindest für uns Mitteleuropäer, die im allgemeinen mit Chili wenig am Hut haben, was sich aber gerade ändert, bzw. durch vor allem junge Leute geändert wird.SONY DSC

Ich zitiere nun Passagen aus dem Buch und kommentiere sie aus meiner Sicht., es ist überaus interessant und bedenkenswert.

„Beißbeere (Capsicum) diese Gattung der Familie Nachtschattengewächse, hat einen 5-6spaltigen oder 5-6zähnigen Kelch, 5-6spaltige, radförmige Blumenkrone und 5-6 Staubgefäße, der keulenförmige Griffel hat eine undeutliche, 2-3lappige Narbe; die saftlose Beere ist 2-3fächerig. Arten: Lange Beißbeere (Capsicum longum), krautige kahle Pflanze mit 4-5eckigem Stängel, eiförmig zugespitzten blättern, weißlicher blume, herabgebogenen, zinnoberroten oder gelben Beeren, ist in Westindien und Südamerika zu Hause, wird bei uns aber häufig kultiviert, blüht von Juli bis September und ist einjährig.“

Hier handelt es sich um die Gemüsepaprika, die tatsächlich seit weit über 100 Jahren bei uns angebaut werden, vor allem natürlich in den wärmeren Gegenden und Weinbaugebieten. Der Gemüsepaprika wird nur einjährig angebaut, eine Überwinterung ist nur theoretisch möglich, denn die Pflanze neigt bei Lichtmangel dazu nicht nur ihr Wachstum gänzlich einzustellen, sondern auch zurückzutrocknen und in Folge einzugehen.

„Gemeine Beißbeere, indianischer oder spanischer Pfeffer, Paprika (Capsicum annuum) dieses bei uns allgemein bekannte Gewächs kommt aus Südamerika, wo es häufig angebaut ist, namentlich in Peru und Brasilien, zu uns; früher wurde es auch in Spanien und Portugal kultiviert. Häufig wird es auch in Ungarn und Serbien angebaut und auch verwendet. Mit dem gemeinen Pfeffer hat er gar keine Aenlichkeit. Er treibt einen 30 – 60 cm hohen, ästigen Stengel mit dunkelgrünen, eirund-lancetltigen Blättern und nachtschattenartigen weißlichen Blüten, aus welchen sich 9 cm lange Schoten entwickeln. Diese sind außen glatt und glänzend, haben anfangs eine grüne Farbe, werden allmählich rot und sind zur Zeit ihrer Reife im August schön hochrot oder orangegelb; ferner sind sie dünn und trocken und enthalten viele kleine nierenförmige und gelbliche Samenkörner.“

Beschrieben ist hier nur eine Sorte, die wahrscheinlich die Sorte „Cayenne“ ist. Damals gab es ganz sicher schon mehr als 1000 Sorten, regionale Sorten, da Chili sich sehr gerne und leicht miteinander kreuzen und somit ständig neue Sorten entstehen. Gleichzeitig wurden und werden aber überall in den Regionen, oft in einzelnen Orten ganz bestimmte Sorten kultiviert, die heute als Sorten mit diesem Ortsnamen im Handel sind, z.B. Jalapeno, Anaheim usw. An diesen Orten wurde dann immer nur die eine Sorte angebaut, in der früher üblichen Art und Weise selektiert indem die besten oder geeignetsten Beeren für die Weiterkultur ausgewählt wurden. So haben sich dies Sorten entwickelt und erhalten. Im Gegensatz zu unserem täglichen Leben wird in den Ländern Südamerikas, Asiens, der Karibik, dort wo Chili angebaut und in großen Mengen verwendet werden, das Saatgut nicht im Geschäft gekauft, sondern in kleinbäuerlicher Art sorgt jeder einzelne Bauer für den Fortbestand seiner hauseigenen Gemüsesorten. Er hätte oft auch kein Geld für Saatgut oder würde unser westliches Denken mit der Kaufmentalität nicht verstehen.

„Gebrauch: Die ganze Pflanze der beiden vorangehenden Arten, namentlich aber die Schoten und Samen, haben eine anhaltende, nahezu unerträgliche Schärfe, weshalb letztere fast in allen heißen Ländern, vorzüglich in Amerika, Ostindien, Spanien, Portugal und auch in Rußland, Ungarn ec. Wie der schwarze aber gewöhnliche Pfeffer an Speisen als Gewürz genommen werden und unter dem Namen spanischer Pfeffer bekannt ist. Zu diesem zweck werden sie wiederholt gebacken und gedörrt, die Schote gepulvert und der Same wie Senf gemalen. In Jamaika benützt man letztere auch als Abführungsmittel.

Der spanische Pfeffer ist mit seiner wunderschönen Frucht eine große Zierde unserer Gärten, weshalb er häufig gezogen wird. Er verlangt ein wohlgedüngtes, sonniges Erdreich und muß bei trockener Witterung häufig begossen werden. Die Schote wird zum Einmachen der Gurken auch bei uns benützt und Branntweinbrenner, Essigsieder ec. Geben ihrer Ware eine Schärfe damit. Der spanische Pfeffer gehört unter die schärfsten Reizmittel namentlich in Beziehung auf Magen- und darmkanal und erregt in stärkeren Gaben Erbrechen, Durchfall, Entzündung des Magens, ja bei unvorsichtigem Gebrauch zeigen sich alle Symptome scharfer Gifte ohne die Spur einer Narkose.“

Jetzt folgt eine Reihe von Anwendungen, wobei die eben beschriebenen Folgen wie Erbrechen, Durchfall, Entzündung des Magens kaum vorkommen, da keine großen Mengen von uns genossen werden können. Vielmehr wird Chili als magenheilendes Mittel vielfach eingesetzt, wie wir gleich noch lesen können.

„Bei Faul- und Wechselfiebern, Untätigkeit der inneren Organe, Lähmungen und überhaupt da, wo starke Reizmittel nötig sind, leistet er oft unvergleichlich große Dienste. – In Deutschland wird er gewöhnlich in derForm einer geistigen tinktur genommen, welche dadurch gewonnen wird, daß man die Kapsel samt dem Samen pulverisiert und unter 20 g Pulver 200 g Weingeist mischt. Diese Mischung wird öfters umgeschüttelt und das Helle nach acht Tagen als Tinktur abgeschüttelt. Davon gibt man in folgenden Leiden täglich 1-3mal je 3-6 Tropfen unter Wasser: in nächtlichen Durchfällen mi Brennen im After, bei Verdauungsstörungen, Blähungen, Lendenweh, bei rheumatisch-entzündlichen Schmerzen, kaltem oder Wechselfieber, wo man zur fieberfreien Zeit alle Stunden 3 Tropfen unter 1 Löffel Wasser gibt. – Bei bösartigen Mundfäule spüle man neben dem inneren Gebrauch den mund öfter mit einem Samenaufguß aus; bei rheumatischen Leiden, Gleiderschwere ec. Sind Waschungen gut.

Bei Zahnschmerz mit hohlen Zähnen tauche man etwas Baumwolle in diese Tinktur und stecke sie in den Zahn. – Bei Katarrh mit zähem Auswurf, krampfartigem Husten, Keuchhusten, der bei Tag stärker ist als bei Nacht, periodischer Engbrüstigkeit, Halsentzündung mit fieber und Hitze, Bangigkeit und ruhelosigkeit, Heiserkeit bei Sängern, Rednern ec., Verdauungsschwäche, sodbrennen, Magenkrampf, Kolik, bösartigen Durchfällen, Ruhren, Cholera, halbseitigem Kopfweh 8Migräne) gebe man die tinktur nach oben angeführten Vorschriften.

Gegen brandige Bräune gurgle man neben dem inneren Gebrauch mit einem Aufgauß von heißem Wasser auf den Samen. – Senfteig wird in seinen Wirkungen verstärkt, wenn man pulverisierten spanischen Pfeffer darunter mischt. – Verursacht unvorsichtiger Gebrauch einige Beschwerden, so nehme man einige Tropfen Kampferspiritus. – Ausgezeichnetes englisches Streichmittel gegen Rheumatismen und Schwindsucht. Pulverisierter spanischer Pfeffer und Kochsalz, von jedem ein Teelöffel voll, 1 l Essig werden in ¼ l Spiritus tüchtig geschüttelt und die kranken Teile darin gebadet oder damit eingerieben; hebt die Schmerzen und mindert die Anschwellungen.

Bei Schwindsüchtigen werden die zuvor damit abgeriebenen Füße damit angefeuchtet, um den Blutumlauf zu befördern und Gliederschmerzen zu vertreiben. – Beerenartige Beißbeere, Vogelpfeffer (Capsicum baccatum) der Stengel ist strauchartig und fußhoch, die kleinen Früchte gleichen den Johannisbeeren und übertreffen die vorigen an beißender Schärfe. In ihrem Vaterlande (Amerika) namentlich in Cayenne, werden die Beeren getrocknet, gemalen, mit Weizenmehl und Sauerteig vermischt, gebacken, gepulvert und als Gewürz unter dem Namen cayennischer oder Vogelpfeffer benützt.“

Es liest sich so, als wäre der Chili ein Allheilmittel und als solches wird er vielfach in den Tropen gebraucht. Auch die Verwendung bei der Herstellung des berühmten ABC-Pflansters läßt sich aus dem oben dargestellten bereits erahnen. Jedenfalls sind Chili weit mehr, als nur ein scharfes Gewürz.

Aber es gibt viele weitere Gründe, wie beispielsweise die gesundheitlichen Aspekte:

Chilis enthalten in etwa die gleichen Inhaltsstoffe wie Paprika die Unterscheidung liegt vor allem an den Scharfstoffen.

In 100 g Fruchtfleisch sind 110 bis 160 mg Vitamin C enthalten, etwa doppelt soviel wie in Zitronen. Chilis kommen damit der Acerola- Kirsche nahe. Um davon zu profitieren, darf man sie eigentlich nicht stark erhitzen oder trocknen. Rund 35 g frischer Chilis decken den Tagesbedarf an Vitamin C, ein Teelöffel voll den an Vitamin A!

Aber die Vitamine sind nur ein Aspekt. Mehr dazu finden Sie in unserem Chili – Büchlein „Scharfe Sachen Mut zu Chili‘.

Das wohl hartnäckigste Urteil über Chilis ist, Chilis seien Geschmackstöter.
Interessanterweise wirkt die Chilischärfe aber nicht betäubend auf die Geschmacksrezeptoren. Somit verliert sich der Geschmack von Speisen nicht durch die Schärfe. Im Gegenteil, es mobilisiert die anderen Geschmacksnerven, so dass es zu einer Geschmacksverstärkung kommt.
Chili HabaneroDie intensiven „Scharf“- Meldungen der Nervenzellen können allerdings anfangs die Geschmackswahrnehmung überlagern, bis man sich an die Schärfe gewöhnt hat. Leider lassen sich viele Menschen durch das Brennen entmutigen und probieren nie genug Chilis um die Anfangsprobleme zu überwinden. Entgegen landläufiger Meinung schützt Capsaicin die Magenschleimhaut vor aggressiven Stoffen. Die Einstellung, dass Chilischärfe bei Magenerkrankungen nicht gut für ihren Magen und daher unbedingt zu meiden sei, ist schlicht weg falsch. Bei einem Versuch mit Aspirin wurde festgestellt, dass die durch Aspirin verursachten Verätzungen der Magenschleimhaut durch 20 g Chili wesentlich reduziert wurden.

Pflege und Anbau:
In ihrer Heimat sind alle Paprikaarten mehrjährig und wachsen zu manchmal meterhohen Büschen heran. Dies ist bemerkenswert, denn wir können sie deshalb mehrjährig wie Kübelpflanzen ziehen. Somit haben die Pflanzen ab dem zweiten Jahr einen Vorsprung in der in Mitteleuropa recht knappen warmen Kulturperiode. Ein sonniger, warmer Standort und gelegentliches Nachdüngen genügen der ansonsten problemlosen Gewürzpflanze. Im Anbau ähneln sie Tomaten oder Auberginen. Winters sollten sie kühl stehen. Um Probleme mit Blattläusen zu vermeiden können die Pflanzen im Winterquartier auch entblättert werden. Folgende Möglichkeiten gibt es, um den Erntesegen aufzubewahren: Die einfachste Möglichkeit für dünnfleischige Sorten, sie haltbar zu machen ist das Trocknen. Vor allem für dickfleischige Sorten (wie Anaheim oder Gemüsepaprika) eignet sich Einfrieren sehr gut. Einlegen in Essig oder Öl ist ebenso gut geeignet. Pasten oder Saucen können auch hergestellt werden; Zubereitungen mit Essig und Salz halten im Kühlschrank mehrere Monate. Das in den Heimatländern verbreitete Räuchern ist für den Hausgebrauch leider zu aufwendig.

Was tun, wenn’s brennt?
Chili De ArbolDa Capsaicin schwer in Wasser löslich ist, hilft es wenig Wasser zum Löschen einzusetzen. In Ölen und Alkoholen ist es gut löslich und das Kasein in Milchprodukten löst es gut von den Schmerzrezeptoren. Heiße, kohlensäurehaltige und saure Getränke sollte man vermeiden. Ebenso Hochprozentiges, da die durch die Schärfe stark gereizten Nervenzellen auf Alkohol überempfindlich reagieren. Abschliessend noch eine Vorsichtsmaßnahme im Umgang mit den Früchten: Nach dem Verarbeiten von sehr scharfen Chilis gründlich die Hände waschen (vor allem auch unter den Nägeln!) Alkohol löst die Scharfstoffe noch besser. Oder Sie verwenden Gummihandschuhe. Beim Anbraten können atemberaubende Chilidämpfe entstehen. Gut lüften oder Dunstabzug einschalten!

Weitere Informationen: Viele Informationen über Chili finden sich im Internet. Hier gibt es Fanclubs und eine Reihe von Homepages, die sich teilweise sehr ausführlich mit Chili und Chiliprodukten beschäftigen. Nur stellvertretend seien hier genannt:

www.chilipepper.de

www.pepperworld.com

www.chili-balkon.de

Ansonsten sei unser Chili- Büchlein empfohlen, in dem oben angeschnittene Themen einen breiteren Raum finden.

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